Eigentlich steht Frankreich
für kulturelle Avantgarde. In Sachen Gleichberechtigung benehmen sich französische
Kulturmacher aber nicht gerade fortschrittlich. Denn Frankreichs Kulturbetrieb
ist fest in männlicher Hand. Das zeigt auch ein Bericht des französischen Senats
der im Juni erschienen ist. Danach arbeiten insgesamt mehr Frauen als Männer in
den öffentlichen Theatern, Konzertsälen oder in Filmproduktionen. Doch in den
Chefetagen haben fast nur Männer das Sagen, je nach Gebiet besetzen sie bis zu
98% der Führungsposten. Die Frauenbewegung „La Barbe“ protestiert schon seit
Jahren gegen diese Situation. Die Aktivistinnen von „La Barbe“ organisieren Podiumsdiskussionen,
verteilen Flugblätter und demonstrieren mit aufgeklebten Bärten an Opern – und Theaterschauplätzen. So auch die
Theaterregisseurin Sophie Hutin. "Frauen an führenden Positionen in Kunst und
Kultur sind so gut wie unexistent" erklärt Hutin. "Im Theater werden die Chefposten meistens an
anerkannte Künstler vergeben. Dabei gibt es genauso viele Künstlerinnen die in
Frage kämen, doch sie werden einfach nicht berücksichtigt, sie sind nicht
legitim."
Auch Frankreichs Kulturministerin
Aurelie Filippetti hat das Problem erkannt. Sie hat die auslaufenden Verträge alteingesessener
Theaterintendanten nicht verlängert, um Frauen etwas Platz zu verschaffen. Doch
prompt bekam sie heftigen Gegenwind zu spüren. Prominente Schauspieler und auch
Filippettis Vorgänger Frederic Mitterand warfen der Ministerin blinden
Dogmatismus und kulturpolitische Inkompetenz vor. "Wir waren einer Situation konfrontiert in
der 90% der öffentlichen Bühnen von einem Mann geleitet waren" rechtfertigt sich die Ministerin. "Deshalb begrüße
ich es, dass sich jetzt auch mehr Frauen für diese Stellen bewerben. Seit
Jahresbeginn habe ich 4 Frauen und 4 Männer ernannt - und diese Frauen wurden nur
anhand ihrer Kompetenzen ausgewählt". Dabei besteht nicht
nur im Theater Handlungsbedarf. In anderen Kulturfeldern sieht es um die Balance
zwischen Männer und Frauen in Führungspositionen nicht besser aus. Zum Beispiel
haben nur ein Viertel der in Frankreich geförderten Kinofilme eine Regisseurin,
und gerade mal 3% der Konzertsäle eine Frau an ihrer Spitze. Diese Ungleichheit
spiegelt sich auch in den Programmen der kulturellen Einrichtungen wieder : an
öffentlichen Tanz- und Theaterbühnen wurden letztes Jahr gerade mal 15% der
Aufführungen von einer Frau inszeniert. Für Sophie Hutin, von der
Frauenbewegung „La Barbe“, können diese
Zahlen nicht länger ignoriert werden. "Was mich wundert ist die Unfähigkeit vieler
Männer, ihre eigene Allmacht wahrzunehmen. Dabei sprechen wir über liberale
Geister, die eher links eingestellt sind, und sich doch sehr konservativ
verhalten" analysiert Hutin. "Deshalb ist es wichtig, Zahlen und statistische Beweise auf den
Tisch zu legen, damit diese Situation endlich wahrgenommen wird und sich was
ändert."
Diese Meinung teilt
auch Laurence Equilbey. Die Orchesterdirigentin ist einer der wenigen die es in
der französischen Klassik-Szene geschafft hat. Ihr Kammerchor „Accentus“ gewann
mehrere Preise, und regelmäßig dirigiert sie große Orchester in Frankreich und
im Ausland. "Wer heute glaubt, die Frauen in der Kultur seien
gerecht behandelt, irrt sich" stellt die Dirigentin klar. "Die Verhältnisse sind einfach nicht gerecht. Es
wäre schön, wenn talentierte Frauen es automatisch nach oben schaffen würden,
es funktioniert aber nicht. Ich glaube es führt leider kein weg daran vorbei,
vorübergehend eine Quotenpolitik einzuführen, um diese Verhältnisse zu
korrigieren". Mit diesem Anliegen
haben die Frauen bei Aurelie Filippetti ein offenes Ohr gefunden. Die junge
Kulturministerin fordert, dass Frauen in den Auswahlverfahren für
Intendanzstellen endlich stärker berücksichtigt werden. Das Ziel ist es, ein
Drittel der Chefposten mit Frauen zu besetzten. Auch die Jurys von Literaturpreisen
oder Kunststipendien sollen nun mehr Frauen aufstellen. Eine verbindliche
Quotenpolitik wie in den Betriebsräten der Wirtschaft ist vorerst aber nicht in
Sicht. Dafür wurde zumindest eine Diskussion in Gang gesetzt, über ein Problem
dass nicht nur Frankreich betrifft. Womit die französische Kulturszene
vielleicht doch ein bisschen zur Avantgarde gehört.
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